Spricht Kleidung? Und wenn sie spricht, was sagt sie?

Or can it be that clothes sometimes do one and sometimes the other, or possibly both at the same time – that is, make clear reference to who we are and wish to be taken as while alternatively or simultaneously evoking an aura that "merely suggests" more than it can (or intends to) state precisely? (Davis, 1992,3)

 

Davis' Fashion, Culture, and Identity ist ein »Klassiker«. Was das Buch berühmt gemacht hat, ist das klare Bekenntnis zu Ambiguität und Untercodierung, d.h. Kleidung macht keine eindeutigen Aussagen, sondern bespielt das Spannungsfeld zwischen verschiedenen möglichen, vielleicht sogar widersprüchlichen Aussagen. Aus Davis' Sicht tut sie uns damit einen grossen Gefallen: Unsere soziale Identität, also das, was wir über uns kommunizieren (wollen), ist wechselhaft, widersprüchlich, nicht-eindeutig – dies aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen, bestimmter historischer Ereignisse, des technologischen Wandels, der wechselnden Kontexte, in denen wir uns bewegen. Kleidung erlaubt uns, diese bewegliche, ambivalente Identität zur Erscheinung zu bringen – manchmal sehr ausdrücklich oder sogar offensiv, manchmal ganz nebenbei.

 

Among the more prominent ambivalences underlying such fashion – susceptible instabilities are the subjective tensions of youth versus age, masculinity versus femininity, androgyny versus singularity, inclusiveness versus exclusiveness, work versus play, domesticity versus worldliness, revelation versus concealment, license versus restraint, and conformity versus rebellion. (Davis, 1992, 18)

 

Was sagt also die Kleidung der Personen, die mir im Alltag begegnen oder die ich auf den Monitoren im Eck portraitiert sehe?

Sie spricht vielleicht mehr über soziale Codes und Spannungen im Selbstverständnis als über konkrete Merkmale der Personen. Sie sagt, dass Gender, Alter, Marken, Nachhaltigkeit, Exklusivität, politische Grundhaltung, Körperbezug oder Gesundheit Dinge sind, die in der Kleidung thematisch sein können. Sie sagt, dass ich in der Kleidung meines Gegenübers vielleicht teilweise mein eigenes Verhältnis zur Welt lese. Und sie sagt auch, dass die Nicht-Eindeutigkeit der Codes dazu einlädt, sich über mögliche Bedeutungen immer wieder neu zu verständigen.

Darin liegt eine Ressource der Kleidung, die oft auch der Kunst zugeschrieben wird und auch in der Alltagskommunikation mehr berücksichtigt werden könnte: Codes nicht einfach zu verwenden, um Bestehendes zu reproduzieren oder zum Ausdruck zu bringen, sondern sie zu hinterfragen und zu transformieren, um Bedeutungen ins Spiel zu bringen, die es vielleicht noch gar nicht gibt.

 

Lea Pelosi

 

Fred Davis: Fashion, Culture, and Identity

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